Beckenboden Basics: Funktionen und Training für einen gesunden Körper

Veröffentlicht am 13. Februar 2024 von Dipl.-Ing. (FH), MBA Marco Winter

Zuletzt aktualisiert am 13. Februar 2024, Lesezeit: 6 Min.

Hast du schon einmal vom Beckenboden gehört? Häufig begegnen wir diesem Teil unseres Körpers erst, wenn es um Schwangerschaft geht und für viele bleibt er ein unbekanntes Terrain, dabei spielt der Beckenboden eine Schlüsselrolle für eine Vielzahl von Funktionen, für Frauen und Männer. Von der Kontrolle über die Blase bis hin zur sexuellen Gesundheit, und sogar beim Lachen tritt der Beckenboden in Aktion.

In diesem Artikel widmen wir uns diesem unsichtbaren Multitalent und beleuchten, warum es so wichtig ist, den Beckenboden nicht nur zu verstehen, sondern auch zu trainieren.

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Gliederung

  1. Grundlagen des Beckenbodens

  2. Die Bedeutung eines starken Beckenbodens im Alltag

  3. Beckenbodentraining: Warum und Wie?

  4. Beckenbodenprobleme und ihr Komplex

Grundlagen des Beckenbodens

Unter den zahlreichen Muskelsystemen des menschlichen Körpers verbirgt sich eine strukturelle und funktionale Meisterleistung der Natur: der Beckenboden. Diese muskuläre Basis bildet das Fundament unseres Körperkerns und wirkt wie ein Dirigent, der leise aber bestimmt das Zusammenspiel unserer innersten Muskeln koordiniert.

Was ist der Beckenboden?

Der Beckenboden ist eine komplexe Schicht aus Muskeln und Bindegewebe, die wie eine Hängematte die untere Beckenhöhle abschließt. Dieses Netzwerk liegt verborgen zwischen dem Schambeinknochen vorne, den Sitzbeinhöckern an den Seiten und dem Steißbein hinten. Es unterstützt die Beckenorgane, darunter Blase, Darm und bei Frauen die Gebärmutter. Die Beckenbodenmuskulatur ist dabei in mehrere Schichten gegliedert, deren Koordination entscheidend für die Beckenbodenfunktion ist [1].

Die Hauptfunktionen des Beckenbodens

haltung muskelplatte beckenbereich

Die primären Aufgaben des Beckenbodens sind vielfältig [2]:

  • Stützfunktion: Trägt die Beckenorgane und verhindert ihr Absinken, besonders relevant bei Frauen für die Gebärmutter.
  • Kontinenzsicherung: Hilft, die Kontrolle über die Blasen- und Darmfunktionen zu bewahren und reguliert den Harnröhren- sowie den Enddarmverschluss.
  • Geburtshilfe: Dehnt sich während der Geburt aus, um das Kind durchzulassen, und unterstützt die Rückbildung danach.
  • Sexuelle Funktion: Ist beteiligt an der sexuellen Empfindung und ermöglicht durch seine Kontraktionsfähigkeit sexuelle Funktionen.
  • Stabilität des Rumpfes: Unterstützt zusammen mit der Bauch- und Rückenmuskulatur eine korrekte Körperhaltung und wirkt als wichtiger Bestandteil des "Kerns".
  • Intraabdominaler Druck: Spielt eine Rolle bei der Regulierung des Drucks im Bauchraum, der z.B. beim Husten, Niesen oder Lachen entsteht.

Anatomie verstehen: Die Muskeln des Beckenbodens

beiden sitzbeinhöckern scheide pelvic

Stell dir den Beckenboden vor wie ein elastisches Trampolin, gespannt innerhalb deines Beckens. Dieses Trampolin besteht nicht aus einem einzigen Stück, sondern aus verschiedenen Schichten von Muskelfasern und Bindegeweben, die sich überkreuzen und verweben, um eine flexible aber robuste Unterstützung zu bieten [2][3].

Das Fundament: Am Boden des Beckens liegt eine Art muskuläre Matte, die Beckenorgane wie Blase und Darm direkt umgibt. Es handelt sich um einen Muskelkomplex mit dem Namen „Musculus levator ani“. Diese tiefste Schicht des Beckenbodens besteht aus dem „Puborectalis“, der wie eine Schlinge um den Enddarm liegt und beim Stuhlgang wichtig ist, sowie zwei weiteren Muskeln, die zusammengenommen wie eine Stützmatte wirken und für die Grundspannung sorgen.

Die Mittelschicht: Etwas höher gelegen finden wir Muskeln und Bindegewebe, die wie lange Bänder von einer Seite des Beckens zur anderen reichen, das sogenannte das Diaphragma urogenitale. Es hilft dabei, das Becken zusammenzuhalten und gibt ihm Stabilität, so als würdest du ein Paket mit einem stabilen Band umwickeln, um alles am richtigen Platz zu halten.

Das dynamische Dach: Die oberste Schicht besteht aus Muskeln, die aktiv die Position des Beckens beeinflussen, ähnlich den Seilen eines Zeltes, die sich je nach Bedarf straffen oder lockern. Diese Schicht sorgt für die Feinjustierung und unterstützt Funktionen wie die sexuelle Gesundheit und die Urinkontrolle.

In der Mitte dieses Trampolins, dort wo die größte Belastung auftritt, sitzt ein Ringmuskel, der für die Kontinenz zuständig ist und ebenso für die Unterstützung der inneren Organe bei Bewegungen oder Belastungen, wie beim Lachen, Husten oder Tragen [2].

Dieses Netzwerk von Muskeln ist ständig in Aktion – es spannt sich an, um zu unterstützen, und entspannt sich, um Freiraum zu geben. Es ist eine feine Balance, die es aufrechterhält, und genau deswegen ist es so wichtig, diesen verborgenen Helden unseres Körpers zu verstehen und zu pflegen [3].

Die Bedeutung eines starken Beckenbodens im Alltag

beckenbodenmuskulatur

Ein starkes Fundament ist essentiell für jedes Gebäude – und das gleiche Prinzip gilt für unseren Körper. Der Beckenboden, unser körpereigenes Fundament, spielt eine entscheidende Rolle in alltäglichen Aktionen, auch wenn seine Arbeit meist im Verborgenen bleibt. Folgende Gründe machen es daher unerlässlich, dem Beckenboden etwas Aufmerksamkeit zu schenken [4]:

  1. Haltung und Stabilität
    Die Haltung eines Menschen ist wie ein stummer Ausdruck seiner Gesundheit. Der Beckenboden ist dabei der Dirigent, der tief im Inneren für Balance und eine gerade Linie sorgt. Er wirkt wie ein natürliches Korsett, das den unteren Rücken und das Becken unterstützt, was für eine aufrechte Haltung unerlässlich ist. Ein trainierter Beckenboden verbessert nicht nur die Körperhaltung, sondern auch die Stabilität beim Gehen und Stehen. Er hilft dabei, das Gleichgewicht zu halten, und ermöglicht so Bewegungen, die sowohl kraftvoll als auch anmutig sind [3].

  2. Unterstützung der Beckenorgane
    Unser Beckenboden ist wie ein Sicherheitsnetz für die Beckenorgane. Er hält die Organe, darunter die Blase, den Darm und bei Frauen die Gebärmutter, an ihrem Platz und verhindert, dass sie unter dem Einfluss der Schwerkraft absinken. Ein starker Beckenboden trägt dazu bei, Organvorfall und damit verbundene Probleme, wie Inkontinenz und Druckgefühle, zu vermeiden. Dies ist besonders nach einer Geburt oder im höheren Alter von Bedeutung, wenn die Beckenbodenmuskulatur natürlicherweise an Spannkraft verliert [5].

  3. Stärkung beim Heben schwerer Gegenstände
    Der Moment, in dem wir einen schweren Gegenstand heben, ist der Moment, in dem der Beckenboden seine wahre Stärke zeigt. Er arbeitet aktiv daran, den intraabdominalen Druck zu regulieren und den Rumpf zu stabilisieren, was eine grundlegende Voraussetzung für das sichere Heben ist. Ein schwacher Beckenboden kann zu einer unzureichenden Druckregulation führen, was das Risiko für Hernien oder Rückenverletzungen erhöht [2]. Gezieltes Training zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur kann zu einer verbesserten Kraftübertragung auf den Rumpf und die Extremitäten führen, wenn wir Lasten tragen [6].

Beckenbodentraining: Warum und Wie?

Oftmals wird das „Beckenbodentraining“ als „Frauensache“ deklariert, da wir ihm meist im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Rückbildung begegnen. Doch ist ein starker Beckenboden ein unschätzbarer Verbündeter gleichermaßen für Frauen und Männer, und das in jedem Lebensalter.

Die gesundheitlichen Vorteile des Beckenbodentrainings

Ein gut trainierter Beckenboden ist der Schlüssel zu einer Vielzahl gesundheitlicher Vorteile. Er verbessert die Kontinenz, unterstützt die sexuelle Gesundheit, verringert das Risiko eines Organvorfalls und kann sogar Rückenschmerzen lindern. Durch gezieltes Training wird die Muskulatur gestärkt, was zu einer besseren Körperhaltung und Kernstabilität führt. Frauen, die nach der Geburt trainieren, erleben oft eine schnellere Rückbildung und Regeneration. Zudem kann ein starker Beckenboden präventiv gegen die mit dem Alter zunehmenden Probleme wie Inkontinenz und Beckenbodenabsenkung wirken [7].

Übungen zur Stärkung des Beckenbodens

pelvic damm muskel

1
Einfache Übungen für Anfänger

 

Beginnen kann man mit der bewussten Wahrnehmung des Beckenbodens und damit, ein Gefühl für seine Aktivierung in Verbindung mit anderen Muskelgruppen zu entwickeln [7]. Mit folgenden Übungen findest du einen einfachen Einstieg in das Training der Beckenbodenmuskeln:

1. Kegel-Übungen

Im Liegen, Sitzen oder Stehen spanne die Beckenbodenmuskeln für 3-5 Sekunden fest an und entspanne sie dann wieder. Stelle sicher, dass du während der Übung normal atmest.
Wiederhole die Übung 10-15 Mal, drei Serien pro Tag.

Finde die richtigen Muskeln: Um sicherzustellen, dass du die Beckenbodenmuskeln und nicht die Muskeln des Bauches, der Hüften oder des Gesäßes anspannst, versuche, den Urinstrahl beim Toilettengang mittendrin zu stoppen. Die Muskeln, die du dabei anspannst, sind die Zielmuskeln für die Übungen.

2. Brücke

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Lege dich auf den Rücken, die Knie gebeugt und die Füße flach auf dem Boden, Arme an den Seiten. Spanne den Beckenboden an, hebe dann langsam das Becken vom Boden, bis Knie, Hüfte und Schultern eine gerade Linie bilden. Halte diese Position für einige Sekunden, während du weiterhin den Beckenboden angespannt hältst. Senke das Becken langsam ab und entspanne den Beckenboden.
Wiederhole die Übung 10-15 Mal.

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Fortgeschrittene Techniken

 

Für Fortgeschrittene bieten sich Übungen an, die die Beckenbodenmuskulatur in Kombination mit Bewegungen des restlichen Körpers stärken. Diese sollten den Beckenboden in anspruchsvollere Bewegungsabläufe integrieren und sowohl die Muskulatur als auch die Koordination verbessern [8].

1. Tief squat (tiefe Kniebeuge)

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Beginne in einem standfesten Stand mit etwas breiter als schulterbreitem Abstand der Füße. Die Zehen zeigen leicht nach außen. Atme ein und beginne, die Hüften nach hinten zu schieben, als würdest du dich auf einen Stuhl setzen wollen, während du die Knie beugst. Gehe so tief wie möglich in die Hocke, idealerweise bis die Hüften tiefer als die Knie sind, während du den Beckenboden angespannt hältst. Achte darauf, dass die Knie in Richtung der Zehen zeigen und der Rücken gerade bleibt. Mit der Kraft der Beine und des Beckenbodens drückst du dich wieder in die Ausgangsposition.
Wiederhole die Übung 10-15 Mal.

2. Pilates Boot (V-Boot)

übungen für die muskelschicht der schließmuskeln

Setze dich auf eine Matte mit angezogenen Knien und Füßen flach auf dem Boden. Lehne den Oberkörper leicht zurück, finde deine Balance auf dem Gesäß, während du die Bauchmuskulatur aktivierst. Hebe die gestreckten Beine an, bis der Körper eine V-Form bildet. Die Arme streckst du parallel zu den Beinen aus. Halte diese Position, während du den Beckenboden angespannt hältst und gleichmäßig atmest. Halte die Position für einige Atemzüge und kehre dann langsam in die Ausgangsposition zurück.
Wiederhole die Übung 5-10 Mal.

Achtung: Es ist wichtig, auf die Signale des Körpers zu achten und bei Schmerzen oder Unbehagen die Übung zu stoppen oder anzupassen.

Beckenbodenprobleme und ihr Komplex

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Der Beckenboden kann durch eine Vielzahl von Faktoren beeinträchtigt werden, was zu unterschiedlichen Beschwerden führt [4][9]:

  • Inkontinenz
  • Starker, plötzlicher Harndrang (Dranginkontinenz)
  • Absinken der Beckenorgane Blase, Gebärmutter, Darm (Organprolaps)
  • Chronische Beckenschmerzen
  • Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, verminderte Empfindung, Erektionsstörungen

Obwohl der Beckenboden eine zentrale Rolle in unserer körperlichen Gesundheit spielt, bleiben Probleme in diesem Bereich oft hinter einem Schleier des Schweigens verborgen. Viele Menschen zögern, über ihre Beckenbodenbeschwerden zu sprechen, sei es aus Unwissenheit über ihre Bedeutung oder aus Scham. Doch das Verständnis dieser Probleme und das Wissen um präventive Maßnahmen sowie effektive Behandlungsstrategien können den Weg zu einer besseren Lebensqualität ebnen. Es ist wichtig, offen über Probleme zu sprechen und frühzeitig Hilfe zu suchen. Die Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Arzt oder Therapeuten ist entscheidend, um die geeignete Behandlungsstrategie zu finden.

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