Autogenes Training zur Stressbewältigung im Büro
Zuletzt aktualisiert am 20. Oktober 2024, Lesezeit: 10 Min.
In unserer schnelllebigen und stets vernetzten Welt nehmen Stress und Druck im Arbeitsumfeld stetig zu. Gerade im Büro, wo Fristen, Meetings und Multitasking den Alltag bestimmen, suchen viele nach effektiven Methoden zur Stressbewältigung. Das autogene Training, ein Entspannungsverfahren, das seine Wurzeln im frühen 20. Jahrhundert hat, bietet hierfür eine wertvolle Ressource. Durch gezielte Übungen und das Anwenden von Selbstsuggestion lernst du, dein Stresslevel zu reduzieren und einen klaren, fokussierten Geisteszustand zu bewahren.
Gliederung
Stress: ein allgegenwärtiges Problem
Stress am Arbeitsplatz ist heute so normal wie nie zuvor. Von ständigen E-Mails über Meetings bis hin zu straffen Fristen kann das Büroleben zuweilen überwältigend sein. Da chronischer Stress sowohl die geistige als auch die körperliche Gesundheit beeinträchtigt, ist es von entscheidender Bedeutung, effektive Techniken zur Stressbewältigung zu kennen und anzuwenden.
Stress im Büro bezeichnet das Gefühl der Überforderung, des Drucks und der Erschöpfung, das häufig aufgrund von zu hohen Anforderungen, mangelnder Kontrolle über die Arbeitsbelastung oder Konflikten am Arbeitsplatz entsteht [1]. Es ist nicht nur eine emotionale Reaktion, sondern kann auch körperliche Symptome wie Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Schlafprobleme und andere Störungen verursachen. In schweren Fällen kann anhaltender Stress zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Herzkrankheiten, Bluthochdruck oder Depressionen führen [2] und sollte daher nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
Autogenes Training
Eine Methode, die immer häufiger als Mittel zur Reduzierung von Stress, Ängsten und zur Verbesserung der Schlafqualität verwendet wird, ist Autogenes Training [3]. Es ist ein Verfahren, das darauf abzielt, Körper und Geist in einen Zustand tiefer Entspannung zu versetzen. Durch Selbstsuggestion und Konzentration auf bestimmte Körperempfindungen ermöglicht es den Anwendern, zu innerer Ruhe und Gelassenheit zu gelangen.
Herkunft des Autogenen Training
Das Autogene Training (AT) wurde in den 1920er und 1930er Jahren vom deutschen Psychiater Johannes Heinrich Schultz entwickelt [4]. Er war stark von den Arbeiten von Oskar Vogt beeinflusst, einem Neurologen, der mit Hypnose experimentierte [5]. Schultz bemerkte, dass Patienten unter Hypnose oft von einem Gefühl der Schwere und Wärme in ihren Gliedmaßen berichteten. Dieses Phänomen faszinierte ihn, und er begann zu erforschen, ob Menschen dieses Gefühl auch ohne Hypnose reproduzieren könnten.
Das Ergebnis war das Autogene Training, eine Methode, die es ermöglicht, sich selbst in einen Zustand tiefer Entspannung zu versetzen. Der Begriff "autogen" leitet sich von den griechischen Worten für "selbst" und "erzeugt" ab und spiegelt die Tatsache wider, dass die Technik auf der Selbstinduktion von Entspannung basiert [6].
Seit seiner Einführung hat das Entspannungsverfahren weltweit an Popularität gewonnen und wird heute in vielen Ländern als Methode zur Stressreduktion und zur Behandlung verschiedener psychosomatischer Erkrankungen eingesetzt.
Vorteile und Chancen von Autogenem Training
Autogenes Training bietet viele Vorteile, wenn es um die Bewältigung von Stress geht, insbesondere im beruflichen Kontext. Nicht nur können Betroffene durch diese Technik ihr Stresslevel reduzieren, sondern sie können auch ihre Leistungsfähigkeit und allgemeine Lebensqualität verbessern. Viele beschreiben ein Gefühl der inneren Ruhe und Gelassenheit, das ihnen hilft, auch in hektischen Arbeitssituationen einen kühlen Kopf zu bewahren [10].
Zahlreiche wissenschaftliche Studien bestätigen die positiven Effekte des Autogenen Trainings bei der Reduktion und Bewältigung von arbeitsbedingter Überforderung. Eine der bekanntesten frühen Untersuchungen stammt von Schultz und Luthe, die in den 1950er Jahren die Wirksamkeit dieser Methode zur Behandlung verschiedener Stresssymptome dokumentierten und bestätigten [7].
Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2002, die 50 Studien unter die Lupe nahm, zeigte, dass Autogenes Training beeindruckende Vorteile gegenüber anderen Techniken bietet, insbesondere in Bezug auf die Reduktion von Angst und Stresssymptomen [8].
Neuere Studien bestätigen diese Ergebnisse. Eine Analyse aus dem Jahr 2023 zeigte, dass die regelmäßige Anwendung signifikante Verbesserungen der Stressresistenz bewirkt, indem autonome und zentrale Nervensystemprozesse nachhaltig positiv beeinflusst werden. Diese Ergebnisse betonen den Nutzen dieser Techniken als wirkungsvolle Methode zur langfristigen Bewältigung von Stress und zur Stabilisierung der psychischen Gesundheit, insbesondere bei Angststörungen und leichten depressiven Symptomen [7][8].
2006 untersuchten Forscher ausserdem den Einfluss des Autogenen Trainings auf den Blutdruck von Patienten mit leichter bis mittelschwerer Hypertonie und fanden eine signifikante Reduktion des systolischen und diastolischen Blutdrucks im Vergleich zu einer Kontrollgruppe [9].
Diese Studien verdeutlichen den Einfluss des Autogenen Training sowohl auf den psychischen als auch auf den körperlichen Gesundheitszustand. Zusammengefasst kann man folgende Chancen der Methode erkennen:
- Stressreduktion: AT ist besonders wirksam bei der Reduktion von Stresssymptomen. Durch die Fokussierung auf innere Ruhe und Entspannung können die Praktizierenden ihre Stressreaktionen mindern und ein allgemeines Gefühl des Wohlbefindens fördern [11].
- Verbesserung der Schlafqualität: Mehrere Studien haben gezeigt, dass regelmäßige Praxis zu einer besseren Schlafqualität führen kann. Die Technik hilft dabei, das Nervensystem zu beruhigen und fördert einen tieferen, erholsameren Schlaf [12].
- Reduktion von Angstzuständen: Indem es die Aktivität des sympathischen Nervensystems dämpft, welches oft bei Angst überaktiv ist, kann AT helfen, Angstzustände zu reduzieren. Dies ist besonders vorteilhaft für Personen, die unter generalisierten Angststörungen oder Panikattacken leiden [13].
- Stärkung des Immunsystems: Einige Forschungen legen nahe, dass regelmäßige AT-Praxis positive Auswirkungen auf das Immunsystem hat, wodurch die Abwehrkraft des Körpers gegen Krankheiten gestärkt wird [12].
- Verbesserung der Konzentration und geistigen Klarheit: Durch die regelmäßige Praxis können sich die Praktizierenden besser konzentrieren und ihre geistige Klarheit steigern, was zu einer verbesserten Arbeitsleistung und kreativen Fähigkeiten führen kann [13].
Prinzipien und Anwendung
Das Autogene Training basiert auf dem Prinzip der Selbsthypnose und konzentrativer Selbstentspannung und hat mehrere Grundprinzipien, die ihm zugrunde liegen:
- Selbstinduzierte Entspannung: Im Gegensatz zu anderen Entspannungsmethoden wird beim AT die Entspannung durch die eigenen mentalen Bemühungen und Vorstellungen des Praktizierenden erreicht, ohne die Hilfe eines Dritten oder externer Geräte [14].
- Passive Konzentration: Die Praktizierenden werden angehalten, ihre Aufmerksamkeit passiv auf bestimmte Empfindungen oder Vorstellungen zu richten, wie z. B. Schwere oder Wärme in bestimmten Körperteilen, ohne zu versuchen, diese Empfindungen aktiv herbeizuführen [15].
- Standardübungen: Die Methode beinhaltet eine Reihe von standardisierten Übungen, die systematisch geübt werden. Diese Übungen umfassen Vorstellungen von Schwere und Wärme in den Armen und Beinen, Regulation des Herzschlags und der Atmung, und das Gefühl von Sonnenwärme auf dem Solarplexus [14].
- Einsatz von Formeln: Während der Übungen werden bestimmte Formeln oder Sätze wiederholt, wie z. B. "Mein Arm fühlt sich schwer an" oder "Mein Herzschlag ist ruhig und regelmäßig". Diese Formeln sind darauf ausgelegt, das vegetative Nervensystem zu beruhigen und einen Zustand der tiefen Entspannung zu fördern [5][15].
- Konditionierung: Mit der Zeit und regelmäßiger Praxis wird eine Konditionierung erreicht, bei der die bloße Absicht oder Vorstellung, AT zu praktizieren, ausreicht, um Entspannungsreaktionen im Körper hervorzurufen [16].
Das Autogene Training ist nicht nur eine Technik zur Stressreduktion, sondern auch ein Mittel zur Selbstentdeckung und Persönlichkeitsentwicklung. Die regelmäßige Praxis kann zu einer tieferen Selbstwahrnehmung, verbessertem Körperbewusstsein und allgemeinem Wohlbefinden führen [16].
Einführung in das Autogene Training
Das Autogene Training ist eine Methode der konzentrativen Selbstentspannung. Die Basis bildet das passive Konzentrieren auf bestimmte Körperempfindungen. Bei regelmäßiger Anwendung kann das Autogene Training helfen, Stress abzubauen, Entspannung zu fördern und das allgemeine Wohlbefinden zu steigern.
Mit unserer Anleitung möchten wir dir zu einem einfachen Einstieg in die Autogene Entspannung verhelfen.
Anleitung für das Grundstufen-Training:
Gesamtdauer: ca. 20 Minuten
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Vorbereitung:
Suche dir einen ruhigen Ort, an dem du nicht gestört wirst. Setze oder lege dich bequem hin. Die Hände sollten neben dem Körper liegen, die Beine leicht gespreizt sein. Schließe die Augen und atme ein paar Mal tief durch. -
Schwereübung (ca. 5 Minuten):
Konzentriere dich auf deinen rechten Arm und wiederhole innerlich den Satz: "Mein rechter Arm ist ganz schwer." Lasse diese Vorstellung einige Male in Gedanken kreisen. Wiederhole den Vorgang mit dem linken Arm, dem rechten und linken Bein und so weiter. Spüre der Schwere in jedem Körperteil nach. -
Wärmeübung (ca. 5 Minuten):
Konzentriere dich erneut auf deinen rechten Arm und wiederhole innerlich: "Mein rechter Arm ist angenehm warm." Führe die Übung wie bei der Schwereübung für jeden Körperteil durch. -
Herzübung (ca. 3 Minuten):
Lege deine Hand auf dein Herz und wiederhole innerlich: "Mein Herzschlag ist ruhig und regelmäßig." Spüre deinem Herzschlag nach und lasse die beruhigende Wirkung auf dich wirken. -
Atmungsübung (ca. 2 Minuten):
Ohne deine Atmung aktiv zu verändern, wiederhole innerlich: "Meine Atmung ist ruhig und gleichmäßig." Spüre dem natürlichen Fluss deiner Atmung nach. -
Abschluss (ca. 3 Minuten):
Wiederhole innerlich: "Ich bin ruhig und entspannt." Bewege langsam deine Finger und Zehen. Recke und strecke dich. Öffne die Augen und komme langsam in eine aufrechte Position zurück.
Wichtige Hinweise:
Bleibe während der gesamten Übung passiv. Wenn du Schwierigkeiten hast, dich zu konzentrieren oder bestimmte Empfindungen nicht spüren kannst, erzwinge nichts. Mit der Zeit und regelmäßiger Praxis wird es leichter.
Das Autogene Training sollte nicht durchgeführt werden, wenn du dich in einem emotional sehr aufgeladenen Zustand befindest oder unter Einfluss von Alkohol oder Drogen stehst.
Bei gesundheitlichen Bedenken oder Vorerkrankungen konsultiere vor der Anwendung bitte einen Arzt oder Therapeuten.
Autogenes Training leicht gemacht: Hilfe durch Apps und Programme
Besonders am Anfang kann es hilfreich sein, ein Programm der geführten Entspannung zu nutzen. Es gibt zahlreiche Apps und Programme, die das Erlernen und Praktizieren des Autogenen Trainings unterstützen. Hier ist eine Liste von einigen der beliebtesten und am besten bewerteten Anwendungen:
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Autogenes Training lernen:
Schritt-für-Schritt-Anleitung, verschiedene Schwierigkeitsstufen. Eine App speziell für Anfänger, um die Grundlagen des Autogenen Trainings zu erlernen.
Plattform: Android -
Autogenes Training - Dr. Hinnerk Polenski:
Dr. Hinnerk Polenski führt durch verschiedene Übungen des Autogenen Trainings. Kombiniert mit Meditationstechniken, verschiedene Stufen und Längen der Übungen.
Plattform: iOS -
Entspannung & Regeneration – Autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation & Tiefenentspannung:
Die App bietet eine Vielzahl von Techniken und geführten Sitzungen. Vielseitig, Mischung aus verschiedenen Entspannungstechniken.
Plattform: iOS, Android -
Progressive Muskelentspannung & Autogenes Training:
Diese App bietet geführte Audio-Anleitungen für das Autogene Training und die Progressive Muskelentspannung. Benutzerfreundlich, gute Einführung für Anfänger.
Plattform: iOS, Android -
Mindfulness App: Meditation & Schlaf:
Neben Meditation bietet die App auch geführte Sitzungen für Autogenes Training. Inklusive Achtsamkeitsübungen, Tracking-Funktionen.
Plattform: iOS, Android
Es ist empfehlenswert, vor dem Herunterladen einer App die aktuellen Bewertungen und Kommentare im jeweiligen Store zu lesen. Einige dieser Programme könnten kostenpflichtig sein. Es ist auch ratsam, vor Beginn eines Programms professionelle Beratung in Anspruch zu nehmen, besonders wenn du gesundheitliche Bedenken hast.
In unserem Bloq-Artikel "Stress lindern: Die wirksamsten Entspannungsübungen für Körper und Seele" findest du weitere Techniken, die dir auf deinem Weg zu einem ausgeglichenerem Lebensstil hilfreich sein können.
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